Die Initiative "Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter" (ViDA) der Europäischen Union ist eine umfassende Reform zur Modernisierung des Mehrwertsteuersystems in der gesamten EU. Diese Initiative spiegelt die Notwendigkeit wider, die Herausforderungen der Digitalisierung und des grenzüberschreitenden Handels zu bewältigen und gleichzeitig den Mehrwertsteuerbetrug zu bekämpfen, der die EU jährlich Milliarden kostet.
Mit der Einführung von ViDA im Dezember 2022 soll die Mehrwertsteuerberichterstattung vereinfacht, die Effizienz gesteigert und der Befolgungsaufwand für Unternehmen in ganz Europa verringert werden. Hier erfahren Sie, was Sie über ViDA wissen müssen.
Hintergrund zu ViDA
Die Notwendigkeit einer Reform wurde immer deutlicher, als die digitale Wirtschaft expandierte und der Mehrwertsteuerbetrug zunahm. Bis 2020 belief sich die EU-Mehrwertsteuerlücke, d. h. die Differenz zwischen erwarteter und erhobener Mehrwertsteuer, auf alarmierende 93 Mrd. EUR.
Ein erheblicher Teil dieser Lücke ist auf Betrug im grenzüberschreitenden Handel zurückzuführen, der mit ViDA angegangen werden soll. Die Initiative baut auf früheren Bemühungen zur Modernisierung der Mehrwertsteuer auf, wie dem Aktionsplan der Europäischen Kommission für eine faire und einfache Besteuerung im Jahr 2020 und Vorschlägen für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem aus dem Jahr 2018.
Die drei ViDA-Säulen
ViDA führt eine Reihe von Gesetzesänderungen ein, die darauf abzielen, die Mehrwertsteuerprozesse zu modernisieren, hauptsächlich durch digitale Technologien. Es besteht aus drei Hauptsäulen:
- Digitale Berichterstattung und elektronische Rechnungsstellung in Echtzeit (DRR): Hier wird eine Echtzeit-Meldung für grenzüberschreitende Umsätze innerhalb der EU auf der Grundlage der elektronischen Rechnungsstellung vorgeschrieben. Dies wird es den Steuerbehörden ermöglichen, Mehrwertsteuerbetrug, insbesondere Karussellbetrug, viel effektiver aufzudecken. Ab 2028 wird die elektronische Rechnungsstellung für grenzüberschreitende Umsätze verpflichtend sein, um die Einheitlichkeit in der EU zu gewährleisten.
- Regeln für die Plattformwirtschaft: Für die Plattformwirtschaft werden die MwSt-Vorschriften aktualisiert, insbesondere in Sektoren wie kurzfristige Unterkünfte und Personenbeförderung. Plattformen wie Airbnb oder Uber werden verpflichtet sein, die Mehrwertsteuer im Namen ihrer Nutzer zu erheben und abzuführen, wenn sie ihren Mehrwertsteuerpflichten nicht nachkommen, was dazu beiträgt, die Wettbewerbsbedingungen für traditionelle Unternehmen zu verbessern.
- Einheitliche MwSt-Registrierung: In Erweiterung des One-Stop-Shop-Modells (OSS) wird ViDA die Mehrwertsteuerregistrierung für Unternehmen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, vereinfachen, indem es die Notwendigkeit verschiedener Registrierungen verringert und die Einhaltung der Mehrwertsteuer über ein einziges Online-Portal ermöglicht.
Der Zusammenhang zwischen ViDA und Peppol
ViDA und Peppol (Pan-European Public Procurement On-Line) stehen im Zusammenhang mit der digitalen Rechnungsstellung und dem standardisierten Datenaustausch. Da ViDA den rechtlichen Rahmen für die Mehrwertsteuer und die digitale Berichterstattung vorgibt, ist Peppol eine der technischen Lösungen, die diese Anforderungen erfüllen können.
Ausrichtung der elektronischen Rechnungsstellung
ViDA konzentriert sich auf die Modernisierung der Mehrwertsteuerberichterstattung in der gesamten EU durch die Einführung einer obligatorischen digitalen Echtzeit-Berichterstattung und elektronischen Rechnungsstellung. Peppol bietet ein Netzwerk für den standardisierten elektronischen Dokumentenaustausch, einschließlich elektronischer Rechnungen.
Im Rahmen von ViDA wird die Umstellung auf E-Invoicing von der etablierten Infrastruktur von Peppol profitieren, da Peppol bereits in großem Umfang für die grenzüberschreitende Übermittlung konformer elektronischer Rechnungen in Europa genutzt wird.
Grenzüberschreitende Compliance
Peppol stellt sicher, dass Unternehmen problemlos standardisierte Rechnungen über verschiedene Rechtsordnungen hinweg versenden und empfangen können, was dem Ziel von ViDA entspricht, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen, die in mehreren EU-Ländern tätig sind, zu verringern.
Mit Peppol können Unternehmen ein einziges Netz nutzen, um die Anforderungen von ViDA für die elektronische Rechnungsstellung zu erfüllen, was eine reibungslosere Mehrwertsteuerberichterstattung ermöglicht.
Interoperabilität und Standardisierung
ViDA fördert die Interoperabilität zwischen den digitalen Systemen in der EU, und Peppol bietet ein standardisiertes Protokoll für die elektronische Rechnungsstellung, das die Einhaltung der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung (EN 16931) gewährleistet.
Dies trägt zu den umfassenderen Zielen von ViDA bei, indem es den Mitgliedstaaten und Unternehmen hilft, einheitliche Praktiken für die digitale Mehrwertsteuererklärung einzuführen.
Wie verhält sich ViDA zur kontinuierlichen Transaktionskontrolle (CTC)?
Die Systeme ViDA und Continuous Transaction Control (CTC) sind darauf ausgerichtet, die Einhaltung der MwSt-Vorschriften zu verbessern und den Betrug zu verringern, indem digitale Technologien für die Verfolgung von Transaktionen in Echtzeit eingesetzt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ViDA eine übergreifende EU-Reforminitiative ist, die darauf abzielt, die MwSt-Prozesse in allen Mitgliedstaaten zu standardisieren, während CTC ein eher lokalisiertes Echtzeit-Steuerkontrollsystem ist, das einige Länder eingeführt haben, um die Einhaltung der Mehrwertsteuer im Alltag durchzusetzen.
Diese Systeme gewährleisten, dass die Steuerbehörden die Transaktionsdaten erhalten, sobald sie generiert werden. Dadurch können beide Systeme eine bessere Übersicht und Transparenz bei der MwSt-Meldung bieten, was zur Betrugsbekämpfung beiträgt.
Im Gegensatz zur kommenden ViDA-Initiative wird CTC von den einzelnen Ländern umgesetzt und konzentriert sich auf die Meldung von Transaktionen in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit an die Steuerbehörden. CTC verlangt in der Regel, dass Unternehmen jede Rechnung oder Transaktion sofort (oder kurz danach) übermitteln, um die Einhaltung der MwSt-Vorschriften in Echtzeit zu gewährleisten. Es handelt sich nicht um eine EU-weite Initiative, sondern wurde von einigen Ländern wie Italien, Spanien und Ungarn zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs eingeführt.
ViDA und die verschiedenen CTC-Initiativen zielen darauf ab, die Mehrwertsteuerlücke zu verringern, indem sie die Einhaltung der Mehrwertsteuer durch elektronische Rechnungsstellung und digitale Berichterstattung effizienter machen. Durch die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für innergemeinschaftliche Umsätze bringt ViDA das Mehrwertsteuersystem der EU in Einklang mit der kontinuierlichen Überwachung in den CTCs und wird voraussichtlich die nationalen CTC-Implementierungen überholen, was eine harmonisierte und bessere Steuerdurchsetzung und einen geringeren Verwaltungsaufwand für Unternehmen ermöglicht.
ViDA fördert auch die Konvergenz und Standardisierung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten - die Interoperabilität wird durch die verschiedenen CTC-Initiativen nicht erleichtert - und sorgt so für eine einheitliche Mehrwertsteuer-Meldepraxis.
Aktueller Stand und nächste Schritte
Das ViDA-Paket wurde seit seinem Vorschlag im Dezember 2022 diskutiert, wobei verschiedene Aktualisierungen vorgenommen wurden, um den Bedürfnissen und Bedenken der EU-Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Während die erste Umsetzung für Januar 2026 geplant ist, wird die vollständige Durchsetzung der komplexeren Maßnahmen, wie z. B. die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für innergemeinschaftliche Transaktionen, voraussichtlich bis 2030-2035 erfolgen.
Ab Mitte 2024 werden die Diskussionen im Europäischen Rat fortgesetzt, wobei einige Streitpunkte noch verhandelt werden, insbesondere hinsichtlich der Ausweitung der Mehrwertsteuerregeln für digitale Plattformen. Die Initiative dürfte jedoch in naher Zukunft abgeschlossen werden und sowohl den Steuerbehörden als auch den Unternehmen in der EU erhebliche Vorteile bringen.
Hier ist der aktuelle Zeitplan für die ViDA-Reform:
- Januar 2026: Geringfügige Aktualisierungen des E-Commerce-Pakets von 2021, einschließlich Änderungen bei der grenzüberschreitenden Energieversorgung und Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung.
- Juli 2027: Einführung der einheitlichen Mehrwertsteuerregistrierung und Maßnahmen zur Plattformökonomie. Dazu gehört die Ausweitung des One-Stop-Shop-Systems (OSS), um den grenzüberschreitenden elektronischen Handel und eigene Lagerbewegungen abzudecken. Plattformen in der Sharing Economy (wie die kurzfristige Vermietung von Unterkünften) werden für die Erhebung der Mehrwertsteuer im Namen ihrer Lieferanten verantwortlich sein.
- Juli 2030 bis 2035: Es werden verbindliche digitale Meldepflichten (DRR) und die elektronische Rechnungsstellung für innergemeinschaftliche Transaktionen eingeführt, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, digitale Meldungen und die elektronische Rechnungsstellung im Einklang mit den EU-Standards vorzuschreiben.